Mittwoch, 27. Mai 2015

Die Depression - wenn alle Stricke reißen


"Ob es Unglück bringt, wenn dir eine schwarze Katze über den Weg läuft, hängt alleine davon ab, ob du ein Mensch oder eine Maus bist." (Konfuzius)

Verschneite Fußspuren auf einem Steg.

Depressionen bezeichnen eine seelische Stresserkrankung, welche auch nachhaltig die Aktivität von Genen beeinflusst und damit auf molekularer Ebene Körperfunktionen verändert. Laut Studien erkranken etwa 15% der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens mindestens einmal an einer starken Depression und zusätzlich leiden etwa weitere 15% mindestens einmal an einer depressiven Verstimmung. Allein die Zahl von jährlich etwa 11.000 Suiziden in Deutschland zeigt annähernd den Umfang der tiefgreifenden Folgen einer Depression für die Betroffenen. Depressionen treten gehäuft in dem Lebensabschnitt zwischen 20 bis 30 auf und im Alter von etwa 50 Jahren. Nicht zuletzt der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft geschuldet reagiert das Umfeld Betroffener sehr schnell ungeduldig und verständnislos und führt damit leider häufig zu einer Verschlechterung der Erkrankung.

Prävention von Depressionen


Zur Vorbeugung gegen Stress hilft im Allgemeinen Ausdauersport ohne einseitige Belastung 2-3 Mal die Woche mit Freude daran. Der Spaß am Sport ist wichtig – ich verstehe Menschen nicht, die völlig verbissen joggen gehen um abzunehmen und gesund zu bleiben. Wenn man den Sport nicht gern macht, tritt sowieso weder das eine noch das andere ein. Eigentlich muss Sport auch nicht mehr Zeit kosten. Die meisten Menschen fahren früh mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln auf Arbeit. Das ist sehr oft überhaupt nicht erforderlich, meistens dauert es mit dem Fahrrad nur unwesentlich länger und man hat gleich Zeit für Sport gefunden, kommt munter auf Arbeit und baut Stress von der Arbeit ab bevor man nach Hause kommt. Am besten ist es, wenn man sich während der Fahrt freut über Kleinigkeiten wie buntem Herbstlaub, Schneemänner, Weihnachtslichter, Sommersonne, frische Luft nach einem Regen oder die ersten Blümchen. Zwei andere, zusätzliche, Mittel sind ausreichend Schlaf und verschiedene Entspannungsübungen, zum Beispiel autogenes Training. Ein seit Facebook und Co, vermutlich auch von dir, völlig vernachlässigtes Gegenmittel ist das Pflegen von positiven realen Beziehungen. Ein letzter Hinweis sind 1-2 Hobbys, welche das Gefühl von Stolz erzeugen.

Symptome und Verlauf von Depressionen


Für Depressionen gibt es mehrere Unterteilungssysteme. Das in meinen Augen wichtigste daran ist, dass es vereinfacht depressive Episoden gibt, bei welchen eine Depression erst aufkeimt, um eine Weile später wieder abzuklingen und chronische Formen, bei welchen eine mehr oder weniger starke Grunddepression über lange Zeiträume besteht, wobei auch zwischenzeitlich Schübe auftreten.
Ein leeres Kopfmesh zwischen den Wolken.
 Die ersten Symptome einer Depression sind eine steigende innere Unruhe mit dem zunehmenden Gefühl der Überforderung. Darauf folgend reduziert sich fortlaufend die Lebensfreude und die Unternehmenslust. Auch der Appetit geht stark zurück, während zunehmende Schlafstörungen begleitet von anhaltender Müdigkeit den Betroffenen quälen. In anderen Fällen hingegen kann auch ständiges Schlafen bei bleibender Müdigkeit auftreten.
Daran anschließend folgt ein Gefühl von Schuld, Leere oder Minderwertigkeit beziehungsweise überflüssig zu sein. Es findet also ein Verlust des Selbstwertgefühles statt, was jedoch meist tiefer liegende Ursachen hat. Angemerkt sei, dass für Menschen das Gefühl der Wertlosigkeit maximaler Stress bedeutet. (Anmerkung: Dies sollte Grund genug sein zu verstehen, dass die Einstellung und öffentlich propagierte Meinung, dass Erwerbslose gern erwerbslos sind in der übergroßen Mehrzahl der Fälle völliger Unfug ist und lediglich als Mittel eingesetzt wird, um die Erpressbarkeit der Angestellten und damit den sozialen Stress zu erhöhen - meiner Meinung nach)
Schließlich treten häufig massive Konzentrations- und Gedächtnisstörungen auf, welche dem Erkrankten das Gefühl geben können sie seien an einer Demenz erkrankt. Alle Symptome zusammen schränken dabei die Leistungsfähigkeit massiv ein. Je nach Schwere der Depression können sich Schuldgefühle und das Gefühl der Wertlosigkeit bis zum Suizid(versuch) verschärfen.
Ist die Depression überstanden, folgt nach der Ersterkrankung in etwa bei der Hälfte der Patienten nach meistens 2 bis 5 Jahren ein weiterer Schub. Mit jeder weiteren Erkrankung erscheint das unten erklärte Auslöseereignis dabei von Mal zu Mal „unbedeutender“. Man trainiert sein Gehirn quasi „schneller und besser“ eine Depression zu bekommen. Ursprünglich schloss man daraus, dass es eine genetische Form der Depression gibt. Heute weiß man, dass eine einmal durchlebte Depression biologische, also sowohl molekulare und organische, Spuren im Körper hinterlässt unter anderem durch die Ausschüttung verschiedener Stresshormone wie CRH, Acetylcholin, Cortisol und Noradrenalin. Im Übrigen lässt sich eine Depression noch Jahre danach anhand der Stressreaktion und dem allgemeinen Stresslevel feststellen. Dies hat Auswirkungen auf den Alltag zum Beispiel in Prüfungssituationen, Vorstellungsgesprächen und anderen Zusammenhängen. Ein paar Tipps gegen ↗Prüfungsangst kann man auch in einem Beitrag vom 07.03.2015 von MINTiKi finden.

'Zielgruppe' von Depressionen


Bei dem erstmaligen Auftreten einer Depression geht immer ein (subjektives) bedeutendes und belastendes Ereignis beziehungsweise Verlust oder ein  drohender Verlust voraus. Dazu zählen unter anderem (drohende) Trennungen, Tod, Kränkungen und Überforderung (auch langanhaltende Überforderung). Allen Ereignissen gemein ist die Gefahr oder tatsächliche Verlust für zwischen­menschliche Bindungen oder Status. Dieser grundlegende Verlust ist ein notwendiger, aber kein hinreichenden Faktoren, anderenfalls würde jeder einmal an einer Depression erkranken.
Die unterbewusste Anfälligkeit unseres Nervennetzwerkes, dass aus solch einer Bedrohung eine Depression hervorgeht richtet sich dabei nach unseren Erfahrungswerten in der Vergangenheit. Wurden zu früheren Zeitpunkten, insbesondere im Kleinkindalter, von unserem Gehirn die Erfahrung schwerer unbeherrschbarer Stresssituationen gemacht, steigt das Risiko später eine neue Situation ebenfalls als unbeherrschbar einzustufen und damit anfälliger für Depressionen zu sein. Im Umkehrschluss führen positive Einschätzungen beziehungsweise Erfahrungen zu Zellwachstum, besserem Lernen, mehr Neugierde und Co. (Einer der Gründe, warum Mediziner die Beschneidung von Jungen generell als schwere Körperverletzung einstufen)
Ein allgemein erhöhtes Grundlevel an Stress erhöht natürlich die Anfälligkeit für Depressionen, hingegen viele reale und positive soziale Kontakte, das Risiko senken. Von einer Depression genesene Menschen neigen fortan häufiger zu bindungsverbessernden beziehungsweise bindungssichernden Verhalten.

Behandlung bei einer Depression


Totale Sonnenfinsternis in Japan 2012.
Psychotherapie hilft, wenn sie hilft, deshalb weil der Psychotherapeut dem Patienten erstens eine stabile, geduldige und neutrale Bezugsperson gibt und zweitens den Patienten dabei unterstützt Situationen neu zu bewerten. Dadurch formt sich das Nervennetzwerk stückweise um. Außerdem kann eine neutrale Person Probleme aus anderen Perspektiven betrachten und neue Möglichkeiten beziehungsweise Wege aufzeigen. Eigentlich selbsterklärend ist der Hinweis, dass sich Patient und Psychotherapeut verstehen müssen, damit eine Therapie eine positive Wirkung haben kann. Zudem senkt eine gelungene Psychotherapie das Risiko, im Gegensatz zu Medikamenten, auf eine folgende Depression. Da Medikamente häufig Nebenwirkungen haben sollten diese nur in akuten Fällen eingesetzt werden und außerdem unter Begleitung einer Psychotherapie erfolgen, da manche Antidepressiva bei einigen Patienten die Selbstmordrate erhöhen, statt zu senken. Das Risiko steigt bei manchen Patienten auch durch das Absetzen der Medikamente.

Tragweite von Depressionen


Ein Beispiel wie Depression körperliche Erkrankungen begünstigt oder deren Verlauf negativ beeinflusst sind Herzerkrankungen, da während der Zeit der Depression (und Stress im Allgemeinen) die Schwankungsbreite der Herzfrequenz eingeschränkt ist, sodass weder der volle Ruhezustand erreicht wird, noch das volle Pumpleistungsmaxima. Dies führt verständlicher Weise häufiger zu Herzerkrankungen beziehungsweise verschlechtert die Situation andersherum bei bereits bestehenden Herzproblemen. Darüber hinaus supprimiert (=hemmt) Stress, und damit auch die Depression, hormonell unser Immunsystem, was dauerhaft sowohl das Tumorrisiko erhöht, als auch Krankheiten begünstigt, bei denen eine Deregulation des Immunsystems vorliegt, wie Autoimmunerkrankungen und Allergien. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass das Fehlen von Krankheitssymptomen keinesfalls unbedingt als gesund einzustufen ist, da es auch einfach bedeuten kann, dass unser Immunsystem sehr stark supprimiert ist. Anzeichen dafür sind zum Beispiel das vollständige Fehlen von Fieber über lange Zeiträume hinweg. Ist man dabei zusätzlich noch übermäßig dünn, fehlt dem Körper außerdem ein sehr entscheidendes Organ zum Abbau unserer Stresshormone: unser Körperfett, welches außerdem auch für bestimmte Aufgaben der Immunantwort erforderlich ist.

Apell


Schlammrisse im Lehm während einer Dürrezeit.
Ein allgemeines Verständnis der Zusammenhänge zwischen psychologischen und physiologischen Erkrankungen sollte es zum einen ermöglichen unser Weltbild und unsere Gesellschaft zu überdenken und außerdem Neuropsychologen ermöglichen Patienten mit Hang zum Rationalen zu erklären, warum Psychotherapie funktionieren kann. Wenn psychologisch geschultem Personal wichtige humoristische Aspekte wie Ironie und Zynismus fremd sind, ereignen sich Fälle, wie dass Anfang zwanzig Jährige angehende Ingenieure, bei dem Versuch Autogenes Training zu erlernen und im Zusammenhang der Beschreibung ihrer Gefühlslage, ihren Unmut über die kleinkindähnliche Behandlung während der Kursstunden indirekt zu bekunden mit Aussagen wie: „Ja, dem Mark geht’s heut‘ gar nicht gut!“. Die esoterikähnlichen Behandlungen seitens mancher psychologisch ausgebildeter Menschen, die manchen Menschen gut helfen kann, stößt andere komplett ab. Im Übrigen trifft das auch schon auf viele Kleinkinder zu, selbst wenn diese das selten verbal verständlich kommunizieren. Der große Zulauf zu den esoterischen Kreisen zeigt, dass diese Herangehensweise durchaus ihre Notwendigkeit hat auch zum Schutz vor Zulauf zu Sekten. Jedoch sollten auch Angebote für naturwissenschaftlich – technisch geprägte „Geister“ vorhanden sein. Da im Fall der Depression zum Beispiel der Mangel an Motivation ein entscheidendes Symptom ist, wäre auch eine leicht auffindbare Kennzeichnung der eigenen Vorgehensweise des Therapeuten sehr vorteilhaft.
Ein Bezugspunkt zu meinen ↗Tweets vom 07.05.2015 :
Jedes menschliche Merkmal unterliegt, betrachtet über die Gesamtbevölkerung, einer gewissen Schwankungsbreite und ist in der Regel annähernd Normalverteilt. Dies gilt bei Eigenschaften wie Intelligenz, Sehstärke, Wahrnehmung und vielem mehr. Eine mehr oder weniger wichtige Eigenschaft des Menschen ist es unbequeme Dinge entweder zu verdrängen oder aus zu blenden, also nicht wahrzunehmen oder zu filtern. Manche dieser unbequemen Wahrheiten, Ereignisse oder Fakten betreffen unser Selbstbildnis, andere unser Weltbild. Ein Beispiel hierfür ist, dass sich die meisten Menschen für besonders nett, hilfsbereit, ehrlich, gut oder sonst wie positiv im Vergleich zum Durschnitt einschätzen. Ein anderes Beispiel ist, dass Menschen ab einem bestimmten Punkt die Konsequenzen ihres Handelns/ ihrer Haltung gern leugnen – also nicht nur anderen gegenüber, sondern auch sich selbst gegenüber. Das ist sehr normales menschliches Verhalten und bietet in manchen Situationen einen gewissen Schutz, zum Beispiel kann eine zuversichtliche Grundeinstellung bei einer aussichtslosen Krebserkrankung zu wahren Wunderheilungen führen. In anderen Fällen ist es eher schädlich oder wenigstens fraglich – wer das überprüfen möchte, kann dies gern in einer Diskussion mit manch einem Raucher/ Süchtigem, unglücklich Verliebten oder Fanatiker tun. Aber auch die Affinität unliebsame Dinge zu verdrängen unterliegt Schwankungen in der Bevölkerung. Es gibt Studien dazu, dass besonders an einer Depression leidenden Menschen diese Filter nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzen und auch die allgemein bekannten „Pessimisten“ zählen mehr oder weniger zu dieser Gruppe. Eine Situation realistisch einzuschätzen und dies zu äußern stößt erstens sehr selten auf Gegenliebe und zweitens senkt sie nicht unbedingt das Stresslevel und damit die Anfälligkeit für Depressionen, daher meine persönliche Einschätzung, das interessantere Menschen wohl eher zu Depressionen neigen, als weniger interessante Menschen – hinterher sind sie auf alle Fälle interessanter. Im Übrigen erklärt dieser Punkt aber auch den möglichen Sinn einer Depression. Durch eine Depression lernt man Situationen realistischer einzuschätzen und daher vor allem im Zusammenhang mit sozialen Kontakten diese vielleicht rechtzeitig zu beschützen.
Ich hoffe die Zusammenfassung zu diesem Thema findet interessierte Leser und hilft dem einen oder anderen.
Die wichtigste Quelle zu diesem Artikel ist ein Buch von Joachim Bauer "Das Gedächtnis des Körpers - Wie Beziehungen und Lebensstile beeinflussen". Wer sich genauer dazu belesen möchte kann sich das Buch also entweder in der Bibliothek ausleihen oder zum Beispiel bei Amazon kaufen: ↗zum Buch auf Amazon ***


--anja--

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